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Warum sich eine Essstörung schleichend entwickelt

(Von Michaela Schubert) Essstörungen gehören zu den ernstzunehmenden psychischen Erkrankungen, die meist nicht sofort erkannt werden. Auch wenn der Begriff Essstörung zunächst eine reine Störung des Essverhaltens vermuten lässt, liegt die Wahrheit viel tiefer.

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Michaela Schubert

Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder Essanfallstörung sind selten eine bewusste Entscheidung.

Essstörungen entwickeln sich schleichend und sind Ausdruck tieferliegender seelischer Probleme.

Was ist eine Essstörung?

Eine Essstörung beschreibt ein krankhaft verändertes Essverhalten, das über längere Zeit anhält und ernsthafte Folgen für Körper und Psyche haben kann. Sie zählt zu den psychischen Erkrankungen und ist weit mehr als „nur“ ein gestörtes Verhältnis zum Essen.

Das auffällige Essverhalten, wie z.B. Hungern, Erbrechen oder wiederkehrende Essanfälle, ist in Wahrheit nur das sichtbare Symptom.

Die Ursachen liegen meist tiefer und haben ihren Ursprung in seelischen Belastungen, traumatischen Erfahrungen oder einem geringen Selbstwertgefühl.

Im Alltag äußert sich eine Essstörung häufig dadurch, dass Betroffene versuchen, durch ihr Essverhalten Gefühle wie Angst, Traurigkeit, Scham oder Stress zu kontrollieren. Das Essen (oder Nicht-Essen) wird zu einer Art Bewältigungsstrategie.

Viele Betroffene berichten, dass die Essstörung ihnen das Gefühl von Halt, Kontrolle oder kurzfristiger Erleichterung gibt.

Auch wenn sie langfristig krank macht.

Wichtig ist, dass eine Essstörung keine bewusste Entscheidung ist. Niemand „entscheidet sich“ dafür, zu wenig zu essen, sich zu übergeben oder Essanfälle zu haben. Vielmehr entwickelt sich die Krankheit schleichend und unbemerkt. Betroffene bemerken oft erst spät, dass sie ihre Kontrolle längst verloren haben.

Zu den häufigsten Formen zählen Magersucht (Anorexia nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und die Binge-Eating-Störung.

Alle drei Erkrankungen haben unterschiedliche Symptome und Folgen, doch sie verbindet ein gemeinsamer Kern: das Essen steht im Zentrum, während die eigentliche Ursache meist in ungelösten seelischen Konflikten liegt.

Eine Essstörung kann schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen haben – von Untergewicht und Nährstoffmangel über Herz-Kreislauf-Probleme bis hin zu Depressionen und sozialem Rückzug. Deshalb ist es entscheidend, Anzeichen frühzeitig zu erkennen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Typische Symptome einer Essstörung

Symptome einer Magersucht:

• Sehr kleine, kalorienarme Portionen
• Häufiges Wiegen und ständiges Gefühl, „zu dick“ zu sein
• Enormer Gewichtsverlust in kurzer Zeit
• Zwanghafter Bewegungsdrang
• Ausreden, um Mahlzeiten zu vermeiden

Symptome einer Bulimie (Ess-Brech-Sucht):

• Heimliches Essen und anschließendes Erbrechen
• Essanfälle mit hochkalorischen Lebensmitteln
• Diätzwang und übertriebene Disziplin
• Einsatz von Abführmitteln oder Appetitzüglern

Symptome einer Essanfallstörung (Binge-Eating-Störung)

• Essen ohne Hunger und Kontrollverlust beim Essen
• Völlegefühl, dennoch Weiteressen
• Häufiges Übergewicht (nicht zwingend)
• Schuldgefühle und Minderwertigkeitskomplexe

Wichtig: Nicht jede Essstörung zeigt die gleichen Anzeichen. Atypische Symptome erschweren die frühe Diagnose. Je früher eine Essstörung erkannt wird, desto besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Therapie.

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Warum der Beginn einer Essstörung oft unbemerkt bleibt

Viele Betroffene nehmen ihre Essstörung anfangs nicht als Krankheit wahr. Stattdessen erscheinen die ersten Veränderungen im Essverhalten oder im Sportverhalten für sie selbst und ihr Umfeld als „gesunde Disziplin“ oder „normale Phase“. Genau das macht eine Essstörung so tückisch – sie beginnt leise und schleichend.

Gründe, warum eine Essstörung zunächst nicht erkannt wird:

  • Vermeintliche Kontrolle: Betroffene fühlen sich anfangs stark und erfolgreich, weil sie ihr Essverhalten „im Griff haben“.
  • Gesellschaftliche Bestätigung: Schlanksein und Sportlichkeit werden gesellschaftlich oft bewundert. Frühwarnzeichen einer Essstörung werden daher eher positiv gedeutet.
  • Verdrängung und Bagatellisierung: Viele möchten sich das Problem nicht eingestehen. Sie glauben, es handle sich nur um eine Phase.
  • Atypische Symptome: Nicht jede Essstörung äußert sich sofort durch massiven Gewichtsverlust. Dadurch bleiben die Anzeichen oft unsichtbar.
  • Scham und Geheimhaltung: Betroffene verbergen ihre Verhaltensweisen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Eine Essstörung schleicht sich in den Alltag ein. Das macht es für Betroffene und Angehörige schwer, rechtzeitig Hilfe zu suchen. Je früher jedoch das Bewusstsein für mögliche Anzeichen geschärft ist, desto besser können professionelle Therapien greifen.

Vorurteile über Essstörungen

Rund um das Thema Essstörung gibt es zahlreiche Missverständnisse und Vorurteile, die nicht nur Betroffene belasten, sondern auch das rechtzeitige Erkennen und Behandeln erschweren. Viele Menschen haben ein falsches Bild davon, was eine Essstörung wirklich bedeutet und wie sie entsteht.

„Essstörungen sind nur eine Phase“

Ein weit verbreitetes Vorurteil ist, dass Essstörungen lediglich eine vorübergehende Laune oder Phase seien, die von alleine wieder vergeht. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine ernsthafte psychische Erkrankung, die ohne Therapie chronisch werden kann.

„Nur junge, schlanke Frauen haben eine Essstörung“

Oft wird eine Essstörung ausschließlich mit jungen Mädchen oder Frauen in Verbindung gebracht. Die Realität sieht anders aus: Essstörungen können Menschen jeden Alters, Geschlechts und jeder sozialen Schicht betreffen. Auch Männer und Kinder leiden zunehmend darunter, werden aber seltener erkannt.

„Essstörungen sind nur ein Schönheitswahn“

Viele glauben, eine Essstörung sei ein „alberner Versuch“, schlank zu bleiben oder Schönheitsidealen zu entsprechen. Das ist ein gefährliches Missverständnis. Zwar können gesellschaftliche Schönheitsideale eine Rolle spielen, doch die Ursachen liegen oft tiefer – etwa in traumatischen Erfahrungen, geringem Selbstwertgefühl oder psychischen Belastungen.

„Nach einer Therapie ist man geheilt“

Ein weiteres Vorurteil ist, dass Betroffene nach einer erfolgreichen Therapie ihre Essstörung vollständig überwunden hätten. Doch auch wenn Essverhalten und Gewicht wieder stabilisiert sind, bleibt die Auseinandersetzung mit der Erkrankung häufig ein lebenslanger Prozess. Rückfälle sind möglich, was die Notwendigkeit langfristiger Unterstützung deutlich macht.

„Man sieht eine Essstörung sofort“

Nicht jede Essstörung ist mit starkem Untergewicht verbunden. Besonders bei Bulimie oder Binge-Eating sind die körperlichen Anzeichen oft lange unauffällig. Das macht es für Außenstehende schwer, eine Essstörung zu erkennen, und verstärkt das Vorurteil, Betroffene seien gar nicht wirklich krank.

Vorurteile über Essstörungen tragen dazu bei, dass Betroffene stigmatisiert werden und sich aus Scham keine Hilfe suchen. Umso wichtiger ist es, falsche Vorstellungen zu korrigieren und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass eine Essstörung eine ernsthafte, komplexe und gefährliche psychische Erkrankung ist.

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Therapiemöglichkeiten bei einer Essstörung

• Stationäre Aufenthalte in spezialisierten Kliniken
• Teilstationäre Angebote wie Tageskliniken
• Ambulante Psychotherapie (z. B. Verhaltenstherapie)
• Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen
• Im Notfall: sofortige Krankenhausaufnahme

Heilungschancen: Kann man eine Essstörung überwinden?

Eine Essstörung ist vergleichbar mit einer Sucht. Sie bleibt meist ein lebenslanger Begleiter. Vollständige Heilung im klassischen Sinn gibt es selten, doch Betroffene können lernen, mit ihrer Essstörung umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen.

Fazit: Eine Essstörung ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die sich langsam entwickelt und oft spät erkannt wird. Wichtig ist, Warnsignale ernst zu nehmen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit der richtigen Unterstützung können Betroffene lernen, ihren Alltag trotz Essstörung zu meistern und neue Lebensqualität zu gewinnen.

Michaela Schubert

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Häufig gestellte Fragen zu Essstörungen (FAQ)

Was ist eine Essstörung?

Eine Essstörung ist eine psychische Erkrankung mit krankhaft verändertem Essverhalten. Dazu zählen Magersucht, Bulimie und Binge-Eating.

Warum bemerken Betroffene ihre Essstörung oft spät?

Weil die ersten Anzeichen oft als Disziplin, Diät oder „Phase“ wahrgenommen werden und Symptome bewusst verborgen werden.

Welche Vorurteile gibt es über Essstörungen?

Häufige Irrtümer sind: „nur eine Phase“, „nur junge Frauen sind betroffen“ oder „nach Therapie geheilt“.

Ist eine Essstörung heilbar?

Eine Essstörung ist vergleichbar mit einer Sucht. Sie bleibt meist ein lebenslanger Begleiter. Vollständige Heilung im klassischen Sinn gibt es selten, doch Betroffene können lernen, mit ihrer Essstörung umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen.

Welche Folgen können Essstörungen haben?

Mögliche Folgen sind Nährstoffmangel, Herzprobleme, Depressionen und sozialer Rückzug. In Deutschland sterben jedes Jahr 50-100 Betroffene an ihrer Esstörung.

Weitere Quellen:

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